Das Syndrom

Das Syndrom

Was ist das Louis-Bar-Syndrom, auch Ataxia Teleangiectasia genannt?

Das Syndrom ist eine seltene Erbkrankheit, die durch Veränderungen auf dem ATM Gen, welches auf Chromosom 11 liegt, entsteht. Es ist eine fortschreitende, degenerative Krankheit, welche eine Vielzahl von Körpersystemen betrifft.
In der Fachsprache wird von Ataxia Teleangiectasia, kurz AT, gesprochen. Im deutschsprachigen Raum ist Louis-Bar-Syndrom etwas einfacher zum aussprechen.

Seit 2019 gibt es in der Schweiz ein Neugeborenen-Screening für schwere angeborene Immundefekte, das bei allen Kindern durchgeführt wird. Manche Kinder mit Louis-Bar-Syndrom können so frühzeitig entdeckt und diagnostiziert werden, noch bevor sie Symptome entwickeln. Durch eine frühzeitige Behandlung können Infektionen verhindert werden und die Kinder in ihrer Entwicklung optimal unterstützt werden.
Allerdings kann eine Diagnose bei einem scheinbar gesunden Kind auch eine grosse Belastung für die Familie darstellen. Deshalb wird die Möglichkeit einer genetischen Untersuchung auch immer mit dem ärztlichen Team und der betroffenen Familie ausführlich besprochen.

Häufigkeit

Die Häufigkeit vom Louis-Bar-Syndrom wird auf 1 von 40.000 bis 1 von 100.000 Geburten geschätzt. Die Krankheit wird durch genetische Veränderungen im ATM Gen verursacht, welches auf Chromosom 11 (11q22-23) liegt. Meist sind beide Elternteile Träger der Krankheit, aber selbst nicht betroffen (autosomal-rezessiver Erbgang). In diesen Familien liegt die Wahrscheinlichkeit bei 25%, dass ein Kind zwei veränderte Gen-Kopien (von jedem Elternteil eines) erbt und von der Krankheit betroffen sein wird.

Ataxie

Die ersten Anzeichen treten in der Regel im Kleinkindalter auf, wenn die Kinder zu laufen beginnen. Sie schwanken beim Gehen, Sitzen oder Stehen. Das Auftreten dieser Ataxie zeigt den Beginn einer fortschreitenden Degeneration vom Kleinhirn, welches zum Verlust der Muskelkontrolle führt. Der Gang wird immer unsicherer, sodass die Kinder irgendwann auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Auch die Sprache (Schluckstörungen und verwaschene Aussprache) und die Bewegungen der Augen sind betroffen.

Teleangiektasien

Neben der Ataxie ist ein weiteres klinisches Merkmal die Teleangiektasien. Das sind winzige rote „Besenreiser“, die in den Augenwinkeln oder auf der Oberfläche der Ohren und Wangen auftreten. Teleangiektasien sind prinzipiell harmlos, aber durch das Erscheinungsbild zusammen mit der Ataxie, wird die Krankheit „Ataxia Teleangiectasia“ genannt oder auch Louis-Bar-Syndrom, nach der belgischen Ärztin Denise Louis-Bar.

Weitere Merkmale

Andere Merkmale vom Louis-Bar-Syndrom, von denen einige Kinder betroffen sein können, sind: Diabetes mellitus, vorzeitiges Ergrauen der Haare, Schluckbeschwerden, die zum Verschlucken und/oder Sabbern führen, und verlangsamtes Wachstum.

Die meisten Menschen mit dem Syndrom sind sehr sozial eingestellt und haben eine hohe Sozialkompetenz.

Immunsystem

Bei den meisten (etwa 70 Prozent) der Kinder besteht eine Immunschwäche, die mit wiederkehrenden Infektionen der Atemwege einhergehen kann. Das Ausmass der Immunschwäche ist bei jedem Kind anders und somit sind die Therapiemassnahmen auch unterschiedlich. Manche Kinder sind aufgrund eines Mangels an Antikörpern, den natürlichen Infektionsbekämpfungsmitteln im Blut, anfällig für Infektionen, insbesondere der Atemwege. Bei diesen Patienten kann die Kombination aus einem geschwächten Immunsystem und der fortschreitenden Ataxie letztlich zu einer Lungenentzündung als häufige Todesursache führen. Eher selten kann es auch zu Infektionen mit ungewöhnlichen Erregern kommen, die auf übliche Behandlungen nicht gut ansprechen oder chronisch verlaufen.

Krebsrisiko

Kinder mit dem Louis-Bar-Syndrom neigen dazu, fast 1.000 Mal häufiger als die Allgemeinbevölkerung an bösartigen Erkrankungen des Blutsystems zu erkranken. Lymphome und Leukämie sind besonders häufige Krebsarten, obwohl die Häufigkeit der meisten Krebsarten erhöht ist. Ironischerweise ist eine weitere Facette der Krankheit eine extreme Strahlenempfindlichkeit, was bedeutet, dass Betroffene die übliche therapeutische Strahlung oder Chemotherapeutika, die Krebspatienten normalerweise verabreicht werden, nicht gut vertragen und ein alternatives Schema angewandt werden muss.

Behandlungsmöglichkeiten

Es gibt weder eine Heilung noch eine Möglichkeit, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Alle Behandlungen haben das Ziel, die Symptome teilweise zu lindern und die Beweglichkeit durch Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Hippotherapie so lange wie möglich zu erhalten. Das Immunsystem kann grundsätzlich nicht gestärkt werden. Bei sehr schwachem Immunsystem können vorbeugend regelmässig Antibiotika oder auch Antikörper-Infusionen verabreicht werden, um schwere und komplikationsreiche Infektionen zu verhindern. Verschiedene Forschungsansätze untersuchen den Einsatz von Vitamin-Präparaten oder anderen Medikamenten, um langfristig die Kleinhirn-Degeneration zu verlangsamen bzw. aufzuhalten. Bislang ist keine dieser Therapien für das Louis-Bar-Syndrom ausreichend untersucht und zugelassen.

Prognose

Die Multisystemkrankheit ist gegenwärtig unheilbar. Die meisten Kinder sind im Alter von zehn Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Nicht weil ihre Muskeln zu schwach sind, sondern weil sie sie nicht kontrollieren können. Später sterben Louis-Bar Patienten in der Regel mit Anfang oder Mitte zwanzig an Atemversagen oder Krebs. Einige wenige leben bis zu ihrem vierzigsten Lebensjahr, aber das ist sehr selten.